Schriftsteller

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Güni Noggler

Geb. 1962, Schwaz, Tirol, Austria

Romane, Kurzgeschichten, Gedichte, Radio, Videos, Theater, Workshops, Performances, Einzelausstellungen (Bilder, Skulpturen, Texte, Installationen).

Lesungen und Workshops im In- und Ausland.

Güni Noggler, Freundsberg 10a, 6130 SCHWAZ, AUSTRIA; Mail: g.noggler(a)aon.at; Tel.: +43 (0)5242 74 168


Put out  Put in!

Irre Despoten (und hier ist das Gendern tatsächlich überflüssig) gehören für immer gestoppt!

... WENN ICH BEI EINER WAHL LEDIGLICH 88,5 % ERHALTE; DANN WÜRDE ICH

MICH ALS DIKTATOR VON MEINEN UNTERTANEN SOFORT UND ENDGÜTIG ZURÜCKZIEHEN!


Der Schimmelreiter

In diesen Märztagen schon so viel Frühjahr. Der Huflattich, die Frühlingsknotenblumen und die Schneeglöckchen sind bereits am Verblühen und die ersten Himmelschlüssel begleiten den keimenden Löwenzahn samt den frech drängenden Sauerampfern. Die vergangenen Regentage haben die Wiesen in strotzendes Grün verwandelt. „Ich bin mal für eine Stunde weg!“ Herbert K. fuhr vor die Stadt und spazierte dann hinaus zum Reiterhof. Verhalten lächelnd blieb er vor dem mannshohen Zaun stehen und betrachtete wehmütig die grasenden Pferde. Zwei Fohlen tollten übermütig auf ihren staksigen Beinen herum und mit einem Mal hatte er wieder den Geschmack von warmen Kakao, den ihm seine Oma immer zubereitete, im Mund – echten Kakao, kein Instantgetränk aus der Dose. Diese samtige Süße, mit einem herben Unterton, die ihn schon immer an den Geruch von Pferden erinnerte. Auch wenn es für den kleinen Herbert lediglich zum Schauen gereicht hatte.

Ein Bub nimmt keine Reitstunden. Wir sind weder Bauern noch ländlicher Kleinadel. Pferde – das ist etwas für Mädchen. Die einzige Annäherung an die Majestät dieser Tiere waren Ritter- und Cowboyspiele – und ein kurzer Ritt auf dem elektrisch-hydraulischen Plastikpferd, das in seiner Kindheit vor dem Eingang zur Apotheke stand. Für fünf Schillinge. Spendiert von seinem Großvater. Ein Dreiminutenglück. Die Augen des kleinen Herbert leuchteten. Aufrecht und stolz saß er in seinem Plastiksattel, ein Infant seiner zukünftigen Welt. Eine Faszination die ihn von nun an nie mehr ganz losließ. Pferde. Reiten.

Von den Sammelfiguren aus den Lindes-Kaffee-Packungen interessierten ihn nur die Pferde, die Mustangs. Die Kunststoffindianer und -Cowboys ließ er links liegen. Waren nur Staffage. Camouflage für Freunde und Eltern. Sie glaubten alle, er wolle ein Cowboy sein, einer dieser schnell ziehenden, aus der Hüfte schießenden Pistoleros, die lässig im Sattel hängend, den Stetson tief ins Gesicht gezogen, mit glitzernden Sporen in die Stadt – in ihre Stadt – einreiten. Nein. Herbert war kein Mitterlehner, kein Django. Weder von seinen Plänen und erst recht nicht von seiner Statur her. Ohne einem entsprechend athletischen Körper samt testosteronschwangerem Bauchmuskelspiel gleitet jede Clint Eastwood Nummer rasch ins Lächerliche ab. Nicht jeder kann ein Putin sein. Dirty Herbi – die Rächerpose würde Herbert K. ganz anders bespielen. Wenn schon Hollywood, dann Robert Redford. Der Pferdeflüsterer. Sich einlassen auf das ureigenste Wesen dieser Tiere. Herdeninstinkt. Leittier. Genau wie in der Politik, bei seinen Aschermittwochsreden und dieser leidigen, aber absolut notwendigen Bedienung der tiefen Reaktionen seiner Wählerschaft. Mit Hilfe seiner geschliffenen Rhetorik. Mit der aggressiven Maskulinität einer Blut-und-Boden-Mentalität. Wollt ihr die totale Wahl?!

Als schlaksigem, schmalbrüstigem Politikguru bleibt da als Ausgleich nur mehr das Laufen. Und die Liebe zu den Pferden. Zeichnen konnte er schließlich nicht. Auch nicht malen. Herbert K. wollte niemals an die Kunstakademie - und hat daher auch niemals eine Absage bekommen. Aber seinem persönlichen Traum war er zumindest nahegekommen. Als Minister. Pferde für die Polizei. Eine berittene Einheit. Und als er stolz und aufrecht für die Fotografen auf einem der ersten angeschafften Polizeipferde im Sattel saß, wähnte er sich am Ziel seiner Träume. Ein kurzer Traum. Ausgaloppiert. Abgeworfen.

Vielleicht hätte er sich besser ein Beispiel an Sonja der Exfrau von Viktor Klima nehmen sollen. Dann säße jetzt ER im Vorstand der Spanischen Hofreitschule und könnte sein Leben und seine Arbeit mit SEINEN Lipizzanern teilen. Kein Trabrennen in der Wiener Krieau, kein Galopprennen im Magna Racino von Frank Stronach, kein Springreiten, keine Turniere, sondern zutiefst ästhetische Figuren im wesensgleichen Einklang von Tier und Mensch.

Herbert K. der Eleve, dessen Liebe zu Pferden den Gradmesser seiner Menschlichkeit beschreibt. Herr und Meister. Zügel und Longe. Das Tier als lebendiger Ausdruck seines Willens. Nicht in Uniform. Nein. Sondern im hautengen Stretch aus Trevira. Mit Glitzer und Pailletten. Eine Hommage an Kraft und Freude. So wie diese jungen Athletinnen, die in Tüll und Rosa ihre akrobatischen Figuren auf dem Rücken ihrer Pferde präsentieren. Voltigieren. Aber dazu hat es bei Herbert K. leider niemals gereicht.

(C) Güni Noggler, März 2024